(EN) India (part 3)

Aus dem Buch „Verabredungen im Wald“ .  Dritte Teil (von vier)

Das Treffen mit den 1000

Ich befinde mich auf der Empore vor 2000 Pastorenaugen (zwei pro Person!). Sie prüfen mich genau und scheinen darauf neugierig zu sein, was der kleine Schweizer aus den Bergen ihnen sagen wird. Das Publikum besteht zum größten Teil aus jungen Menschen. Einige von ihnen kommen aus Odisha und riechen noch nach Rauch…

Ich teile ihnen mit, wie mir Jesus, der große Künstler, begegnet ist, dass er aus dem Nichts Wunder schafft und erzähle ihnen auch von meinen lächerlichen kleinen Tränen für sie… Während ich noch rede, geht mir ein Lied durch den Verstand, wobei ich dabei Gott verstand. Es ist ein altmodisches Kirchenlied, von dem ich dachte, dass ich es zehn Jahre zuvor im Raum meiner Jugendgruppe vergessen hatte. (Scheibenkleister, wer hat denn die Lautsprecher in meinem Kopf angemacht?!) Ich beschließe, das Lied aus dem Mund auszuspucken und singe:

In meinem Herzen habe ich mich entschieden, Jesus Christus zu folgen. Und auch, wenn mich meine Freunde verlassen, werde ich trotzdem den Weg gehen. Der Welt* (*ihren irreführenden Verlockungen) sage ich ein fröhliches „Nein“, ich nehme mein Kreuz auf mich und egal, was auch kommen mag, ich habe mich entschieden, Jesus Christus zu folgen“.

ALLE kennen es und beginnen in ihrer Sprache wieder von vorne mit Leidenschaft. Es ist der Beweis dafür, dass ein Funken, eine Menschenmenge anzünden kann. Ich bin gerührt, denn ich weiß, dass es für sie mehr als nur ein Lied ist. Diese Leute lassen sich ihren Glauben was kosten. Sie meinen:

– Einer von uns hat dieses Lied verfasst: der Sadhou Sundar Singh. Er ist ein Vorbild für die Botschaft, die in unserem Herzen eingebrannt ist.

Als ich von der Empore herunterkomme, nehmen sie mich in den Arm, und auch sie weinen vorbehaltlos. An diesem Tag hat uns der Herr besucht…

Auderset in india

Inder Stube sind da Inder…

Für die Paar besonderen Gäste wie wir (einige cremefarbene Punkte in einer kaffeefarbigen Menschenmenge) haben sie Ehrentische vorbereitet, aber uns ist es lieber, mit ihnen zu essen, auch wenn wir dabei mit der altüberlieferten Tradition brechen. Ein Paar von ihnen sind recht verwirrt. Für die Inder gehört der weiße Mensch zur höheren Kaste (was für´n Witz!). Lasst uns diesen Mythos weichprügeln, auch wenn es tatsächlich nicht ohne Gefahr ist für uns Weicheier, ihr Essen zu teilen (ich, zum Beispiel wurde nicht geimpft, sondern kenne nur Vitamin C).

Die Inder lachen sich tot, wenn ich versuche, mit ihnen Hindi zu reden. Jetzt schon weiß ich, dass sie mir fehlen werden. Es ist ein begehrenswertes Volk. Keiner findet es hier komisch, wenn man spontan mit einem Unbekannten spricht. Männer haben kein Problem, sich an der Hand zu halten. (Es ist nicht einmal zweideutig…)

Die Erleuchtung

Wir sind mitten in der Stadt, aber direkt vor mir auf der Straße liegt ganz lässig eine Kuh, die es anscheinend nicht besonders (h)eilig hat. OK, bereits begegneten mir schon ein prachtvoller Papagei, ein neckender Affe und sogar eine Bache (Frau Wildschwein) mit riesigen Zitzen, die ganz gemütlich auf der Straße flanierte…

Alles ganz normal!

Meine rationalen Gedanken sind sowieso abgezischt. Sie hatten keine Zeit, sich mit den Pannen in der Matrix zu beschäftigen, also befassen sie sich seit längerem mit einem viel wichtigeren Problem. Dadurch, dass ich ihnen von keinem Nutzen sein konnte, haben sie mich im Stich gelassen, und ich befinde mich nun auf der Terrasse eines Tingeltangels, der wie zerbombte Trümmer der Nachkriegszeit aussieht. Der „Tisch“, an dem ich sitze, ist lächerlich wackelig, aber im Einklang mit den anderen reizenden Widersprüchen, die mich umgeben. Die Milde einer südlichen Brise fährt mir durchs Gesicht und ich trinke den besten Chai-Tee meines Lebens.

– Herr, wie kann ich diese Leute erreichen, sie dir bringen? Hier gibt es nicht viele Comic-Leser… und unter den Ärmsten können etliche nicht einmal lesen. (Na…? Meine rationalen Gedanken sind anscheinend wieder zurück). Während mein Blick umherschweift, wird er plötzlich von einem Plakat angezogen. Es ist die Abbildung von einem der hier so zahlreichen Götter. Diese Zeichnungen sind überall zu finden: in den Taxen, in den Geschäften, auf jeder freien Fläche.

Und auf einmal, peng! kommt die Erleuchtung! Ich hab´s! … Plakate! Ich muss einfach Plakate zeichnen! Das ist doch die Sprache, die jeder hier versteht. Es ist auch für mich eine Herausforderung und die Tatsache, dass ich doch diesem Volk etwas geben kann…

Auderset in india2

Rette einen Haufen von ihnen

Bevor ich heimreise, werde ich von einer Familie aus der christlichen Gemeinde eingeladen. Trotz ihrer Armut hat das Ehepaar mehrere Weisenkinder adoptiert, um sie von der notgedrungenen Bettelei sowie vom schlimmsten Missbrauch zu befreien, das ein Kind kennen kann. Sie zeigen mir einen kleinen Burschen, der sich fürs Zeichnen begeistert. Ich bewege mich auf seine Höhe runter und schenke ihm einen der Comics, die ich bei mir im Koffer habe. Dieses Buch ist für ihn von unschätzbarem Wert. Selbst, wenn ich es einem indischen Verlag weitergegeben hätte, hätte keiner es besser zu würdigen gewusst als dieser kleine Kerl mit funkelnden Augen. Ich reiche ihm auch meinen Bleistift und sage ich ihm mit zitternder Stimme:

– Zeichne für den Herrn und für dein Volk, mein Junge! Die Kunst ist nicht nur ein Spiel oder ein Hobby, sie ist sehr wichtig! Zeige deinem Volk den Weg von Jesus und rette einen Haufen von ihnen!!!

Es geht nächste Woche weiter…

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