India (Erster Teil)

Aus dem Buch “Verabredungen im Wald”. Erster Teil (von vier)

Nach Indien sollst du gehen…

Kurz vor dem Erscheinen meines ersten Comics, zu der Zeit, als ich noch ohne das Blitzlich der Journalisten zeichnete und als nur hoffnungslose Fälle mich eingeladen hätten, um zu einem Publikum zu reden, bekam ich einen Anruf. Diese Stimme (genauso wie die Person, zu der sie gehörte) war mir total unbekannt. Sie verklickerte mir unter anderem, dass sie eine Vision von mir bekommen hatte, wie ich zu tausenden von Jugendlichen reden würde und dass mich Gott (einfach so nebenbei) eines Tages nach Indien schicken würde… (Okäääääy … und vielen Dank, dass Du angerufen hast!)

Zehn Jahre später verschlägt mir ein in meinem Briefkasten aufgefundenes Flugzeugticket nach Indien die Sprache. Gleichzeitig öffnet sich erneut das Fach meines Gedächtnisbriefkastens mit der Erinnerung an die zuvor beschriebenen Erlebnisse. Ich dachte, diese wären in den Chroniken meines Gehirns, das so chaotisch aufgeräumt ist wie mein Schreibtisch (das sagt eigentlich alles), jämmerlich verloren gegangen.

Der seltsame Absender des Flugtickets ist eine Missionsgesellschaft namens „Empart“ … na? Vor ein paar Monaten war ich eingeladen worden, um zu zeichnen, während ein indischer Referent etwas vortrug. Wir hatten beide viel gelacht, denn ich hatte eine Karikatur von ihm auf Großleinwand gebracht und von der Bühne hatte er mir diese witzige Bemerkung zugeworfen:

– So leicht kommst du mir aber nicht davon, mein Lieber!
Die Einladung kommt von ihm. Ich rufe den Missionsleiter an, der sich in meiner Heimat befindet, um ein bisschen mehr in Erfahrung zu bringen:
– Äh… Warum soll ich denn nach Indien kommen? Was erwarten Sie von mir?
– Wir möchten nur, dass du kommst, damit du inspiriert wirst von dem, was du dort sehen wirst…
– … Ist das alles?!

Die bitten nicht darum, dass ich was sage, dass ich Fassaden mit Micky-Mäusen gestalte, dass ich einen Brunnen grabe oder, dass ich irgendwelche Geiseln rette (und das ist auch besser so, weil ich nicht richtig weiß, wie´s geht), sondern sie wollen nur, dass ich komme!?!

 

Wo sind wir denn hier?

Sobald ich aus dem Flughafen raus bin, begegnen mir sowohl dieser besondere Geruch (Gewürz und Pisse) als auch dieser beständige Nebel (Staub und Verschmutzung), die genauso wie die ringsum stehenden Straßenverkäufern mich nicht mehr verlassen werden. Der Anblick, den ich vor Augen habe, ist vollkommen irritierend. Aaaargh!!! Es liegt bestimmt an diesem dusseligen Piloten, der durch einen räumlich zeitlichen Korridor geflogen ist!! Was ich entdecke, gibt mir das eigentümliche Gefühl, dass ich in der Zeit zurückgegangen bin. Aber es ist anders als in unserem Raum-Zeit-Kontinuum, denn hier leben auch Aliens im stillen Einverständnis mit den Menschen! Es gibt Typen, die einen Turban als Kopfbedeckung tragen, andere sind zweigeteilt und bewegen sich mit Hilfe ihrer Armeskraft auf Rollbrettern, Frauen sind auch zu sehen, wunderschön und mit einem Regenbogen bekleidet…

india-WC-D

Weitergehen, da gibt´s viel zu sehen!

Auf der Straße ist es nicht viel besser: Die Chaussee wimmelt von riesigen Joghurtbechern mit beliebig vielen Rädern, die als Fahrzeug fungieren. Der englische Wagen, aus einem anderen Jahrhundert stammend, der mir als Taxi dient, gleitet wie ein massives Schiff in der Flut verschiedenartiger Fahrzeuge im Verkehrsstrom mit. Hier sind die Fahrzeugführer völlig befreit von jeglichen Verkehrsregeln. Als der Taxifahrer in die Gegenrichtung der Autobahn auffährt, um einige zeitraubende Minuten zu gewinnen, bleibe ich cool. Mein Gehirn ist mittlerweile im Modus: „Was soll´s, all das kann sowieso nicht real sein!“

Es geht nächste Woche weiter…

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